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Sonntag, 13.10.2024

NoNato'09: Polizei bereitet sich auf NATO-Gipfel vor

(so oder so) Knapp fünfeinhalb Monate vor dem Gipfel zum 60-jährigen Bestehen der NATO in Baden-Baden und Straßburg bereitet sich Baden-Württembergs Polizei auf den größten Einsatz seit Bestehen des Landes vor. Für den Gipfel des imperialistischen Militärpaktes am 3. und 4. April nächsten Jahres gilt die höchste Sicherheitsstufe. Für die gesamte Polizei im Land wurde für den Zeitraum vom 27. März bis zum 5. April nächsten Jahres eine Urlaubssperre verhängt und der Landespolizeipräsident Erwin Hetger kündigte an, dass wohl mehr als 12.000 Polizisten allein deutscherseits im Einsatz sein werden.
Bereits vor einer Woche wurde bekannt, dass die ursprüngliche Gipfelplanung, den NATO-Gipfel in Strasbourg und Kehl stattfinden zu lassen, über Bord geschmissen wurde. Der von Deutschland und Frankreich gemeinsam ausgerichtete Gipfel wird nun einen Tag (Freitag, 03. April) Baden-Baden statt Kehl heimsuchen. Dort gibt es auch herschaftlichere Hotels, ein Kasino und eine Trabrennbahn. Sicher mag auch dieses angemessenere Ambiente ein Grund für die Verlegung gewesen sein. Wahrscheinlicher ist aber doch, dass die seit Monaten intensivierte Beobachtung der von Gipfelgegner/innen geplanten Proteste zu einer neuen Entscheidung führte. Das polizeilicherseits ausgemalte Bedrohungsszenario wird immer umfassender. Da aber schwerlich ein Hochsicherheitszaum um Strasbourg und Kehl zu ziehen ist, wie man es 2007 in Heiligendamm machte, wollten die Sicherheitsbehörden offensichtlich zwei weiter auseinanderliegende „Rote Zonen“ einrichten. Möglicherweise auch, um die Proteste zu zersplittern.

Die Entscheidung der Verlegung wurde dem Kehler Oberbürgermeister Günther Petry von Vertretern des Auswärtigen Amts mitgeteilt worden. Das Bundesinnenministerium hat die Verlegung mittlerweile offiziell bestätigt. „Wir wurden nie gefragt, weder als beschlossen wurde, er solle zum Teil in Kehl stattfinden, noch als er nun nach Baden-Baden verlegt wurde,“ sagte Oberbürgermeister Petry. Dagegen fühlt sich der Oberbürgermeister von Baden-Baden Wolfgang Gerstner durch den Ortswechsel der Mächtigen geehrt. Insbesondere das Essen der Regierungschefs als auch die beiden Arbeitsessen der Außen- und der Verteidigungsminister werden in der Kasinostadt abgehalten. Dort rechnet man mit rund 3.500 direkten Gipfel-Teilnehmern und 3.000 Medienvertretern. Die meisten Staatschefs werden den Angaben zufolge die Flughäfen Lahr (Ortenaukreis) und Rheinmünster-Söllingen (Kreis Rastatt) ansteuern.

Am Mittwoch (22. 10. 08) trafen Landespolizeipräsident Erwin Hetger und die Regierungspräsidenten Dr. Rudolf Kühner (Karlsruhe) und Julian Würtenberger (Freiburg) in Baden-Baden zusammen um gemeinsam die neue Situation zu erörtern. Laut Erwin Hetger bedeutete die Sicherheit des Gipfels und der Teilnehmer eine Herausforderung besonders in drei Bereichen: internationaler islamistischer Terrorismus, Aktionen gewaltbereiter Störer und friedliche Demonstrationen mit einer großen Teilnehmerzahl. Derzeit lägen keine konkreten Gefährdungshinweise vor. Aber mit Blick auf das Bedrohungspotenzial des internationalen, insbesondere des islamistischen Terrorismus müsse von einer hohen abstrakten Gefahr ausgegangen werden. Deutschland sei bekanntlich Teil des weltweiten Gefahrenraums, und viele der teilnehmenden Nationen sowie die NATO seien in die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus eingebunden. „Auf den rund 600 in Baden-Württemberg und den etwa 6.300 bundesweit als gewaltbereit bekannten Extremisten liegt unser besonderes Augenmerk“, so der Landespolizeipräsident. Allerdings beschränke sich der Blickwinkel nicht nur auf die regionale oder nationale Ebene. Auf Grund der zu erwartenden europaweiten Mobilisierung rückten auch die etwa 3.500 beim Bundeskriminalamt als international agierende Gewalttäter registrierten Personen in den Fokus der Sicherheitsbehörden. Eine ähnlich breite Mobilisierung wie beim G8-Gipfel in Heiligendamm sei aber eher unwahrscheinlich. Dennoch sei mit bundesweiten und regionalen, auch militanten Protestaktionen zu rechnen. Die Vorbereitungen in der linksextremistischen Szene liefen seit April 2008.

„Mit gezielter Erkenntnisgewinnung und Aufklärung hat für uns der Einsatz bereits begonnen. Wir wenden die bewährte Einsatzstrategie an, möglichem Gefahrenpotenzial bereits im Ansatz entgegenzuwirken“, sagte Hetger. Die gewonnenen Erkenntnisse dienten als Grundlage für präventiv-polizeiliche Maßnahmen wie Aus- und Einreiseuntersagungen bis hin zu Ingewahrsamnahmen. Zudem werde man mit gezielten Kontrollen, gegebenenfalls mit temporär wiedereingeführten Grenzkontrollen, anreisende Gewalttäter herausfiltern. „Mit der bewussten Auswahl der Grenzregion entlang des Oberrheins für den Jubiläumsgipfel ist ein gemeinsamer deutsch-französischer Einsatzraum für die Sicherheitsmaßnahmen mit allen Herausforderungen einer grenzüberschreitenden Lage entstanden. Den Grundstein für eine eng verzahnte, unbürokratische Zusammenarbeit auf der Grundlage der bestehenden Verträge haben wir in einem ersten Gespräch mit dem Präfekten der Region Elsass bereits gelegt. Die Grenze darf und wird bei der Durchführung der Einsatzmaßnahmen kein Hindernis sein“, so der Landespolizeipräsident.

Für die Gegner des Gipfels werde der Rhein keine unüberwindbare Barriere sein, es werde grenzüberschreitende Aktionen geben. Daher sei auch der Informationsaustausch über die Grenze hinweg zur Erstellung eines stets aktuellen gemeinsamen Lagebilds für den gesamten Einsatzraum zwingend notwendig. Auch Einsatzkräfte müssten, wenn es die Lage erfordere, grenzüberschreitend eingesetzt werden. Demonstrationen und Camps von Gipfelgegnern sollen nur mit Auflagen und in ausreichendem Abstand zu den Tagungsorten genehmigt werden. In bestimmten Fällen sollen Autobahnen gesperrt werden. An den deutsch-französischen Grenzübergängen werde es möglicherweise wieder stationäre Kontrollen geben, kündigte der Landespolizeipräsident an. Camps werde man nicht generell verbieten können. Sie dürften aber keine Rückzugsmöglichkeiten für Straftäter und Chaoten in die Anonymität der Masse bieten. Landespolizeipräsident Hetger: „Camps wird es nur abgesetzt und mit gewissen Auflagen geben. Rechtsfreie Räume wird es in Baden-Württemberg nicht geben.“ Auf andere Aktionsformen wie Blockaden oder Aktionen der sogenannten Rebells Clowns Army werde sich die Polizei gezielt vorbereiten.

Zur Dimension des Einsatzes sagte Hetger: „Wir werden wohl den größten Polizeieinsatz in der Geschichte Baden-Württembergs erleben. Deshalb ist die gesamte Polizei des Landes mit allen ihren Einheiten gefordert. Zudem ist eine umfangreiche Unterstützung durch Kräfte des Bundes und der anderen Länder notwendig. Der geplante Einsatz reize das eigene Kräftepotenzial bis an die Grenze aus“. Die Landespolizeidirektion Freiburg sei für Planung und Führung des Einsatzes verantwortlich.
Die Gewährleistung der Sicherheit rund um das Gipfeltreffen sei aber nicht alleinige Aufgabe der Polizei. Beispielhaft sei der Bereich des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes oder des Rettungswesens zu nennen. „Ein wesentlicher Baustein ist die frühzeitige und dauerhafte Einbeziehung aller Partner in einen abgestimmten Vorbereitungsprozess. Neben den Landkreisen, Städten und Gemeinden sind hier die Regierungspräsidien in der ganzen Breite ihrer Zuständigkeit betroffen“, so Hetger.
Zur Erörterung der Maßnahmen werde man sich mit den zuständigen Vertretern der Kommunen am 4. November 2008 zusammensetzen. Die Kosten des Einsatzes ließen sich im jetzigen Planungsstadium noch nicht beziffern, man gehe aber von einem zweistelligen Millionenbetrag aus.

Siehe auch:
- swr.de: 12.000 Polizisten für den NATO-Gipfel -
- BaWü Das Landesprotal: 22.10.08 - NATO-Gipfel 2009 erfordert einen polizeilichen Einsatz von bundesweiter Dimension mit mehreren tausend Beamten -
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