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Dienstag, 19.03.2024

Krise, Krieg & Kapital: Griechenlands Militärausgaben

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(sooderso) Griechenland wird kaputt gespart und massive Einschnitte bei Löhnen, Renten und Sozialleistungen verlangt. Der Druck, den die EU-Kommission, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank, die zusammen die Troika bilden, entfalten und den die griechische Notstandsregierung umzusetzen versucht, führen zu einer systematischen Verarmung breiter Schichten der griechischen Gesellschaft. Die ohnehin niedrigen Mindestlöhne sollen um weitere 20 Prozent gesenkt werden und beschlossen ist der weitere Abbau von 150.000 Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst.
Auf der anderen Seite leistet sich Griechenland die Armee einer mittleren Grossmacht - und Sparmassnahmen spielen in dem Bereich fast keine Rolle. Im Gegenteil, es wird weiter teures Militärgerät geordert. Über diese Zusammenhänge von Krise und Aufrüstung, und wer daran verdient, berichtet ein Artikel auf SoOderSo online >>>.
Siehe auch: Griechenland: Empörung vor Militärkulisse

Krise, Krieg & Kapital: Griechenlands Militärausgaben
Wie wär’s mit: „Militärausgaben streichen!“?

(sooderso) Griechenland wird kaputt gespart und massive Einschnitte bei Löhnen, Renten und Sozialleistungen verlangt. Der Druck, den die EU-Kommission, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank, die zusammen die Troika bilden, entfalten und den die griechische Notstandsregierung umzusetzen versucht, führen zu einer systematischen Verarmung breiter Schichten der griechischen Gesellschaft. Die ohnehin niedrigen Mindestlöhne sollen um weitere 20 Prozent gesenkt werden und beschlossen ist der weitere Abbau von 150.000 Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst.

Wie fast immer müssen diejenigen die Zeche zahlen, deren Anteil an der Verursachung der Misere naturgemäß nur gering gewesen sein kann. Denn natürlich haben nicht „die Griechen über ihre Verhältnisse“ gelebt. Eine staatliche Politik sorgte dafür, dass große Unternehmen und die Oberschicht des Landes fast keine Steuern zahlen mussten, dass der Staatsapparat und die Bürokratie aufgebläht wurde - und das, nicht zuletzt, Griechenland sich eine Armee und einen Militärapparat einer mittleren Grossmacht leistet. Das war durchaus von der EU und der NATO so gewollt; sicher auch, weil gerade Rüstungsunternehmen aus Deutschland, Frankreich und den USA daran am meisten verdienen.

Griechenland hat 11 Millionen Einwohner/innen - und eine Armee von 130.000 bis 155.000 Soldaten (je nach Quellen). Wer ein wenig die griechische Topografie mit großteils bergigem Gelände und vielen Inseln kennt, wundert sich, dass die griechische Armee über die enorme Menge von1.600 Panzern verfügt. Was bedeuten diese Zahlen? Um sich die Dimension vorstellen zu können, hilft vielleicht das Umrechnen auf deutsche Verhältnisse. Bei etwa 82 Mio. Einwohner/innen würde das eine Bundeswehr mit mehr als 1,4 Mio. Soldat/innen bedeuten (tatsächlich wird gerade verschlankt auf 180.000). Knapp 10.000 Panzer müssten nach der Rechnung in Deutschland rumstehen, tatsächlich verfügt die Bundeswehr über 400.

Nun, Deutschland gilt nicht als besonders friedfertig oder gar antimilitaristisch. Zunehmend spielt das Militär in der deutschen Politik eine zentrale Rolle. Interessanterweise steht gerade die geplante Bundeswehrreform, die Abschaffung der Wehrpflicht und die Verringerung von Militärstandorten und Personalstärke für eine Umstrukturierung des Militärs als flexibles Instrument weltweiter Krisenintervention. Gerade deswegen muss die dazu altbackene, traditionell-konventionelle Hochrüstung der griechischen Armee wie ein künstliches Eldorado der Rüstungswirtschaft gelten. Im Interesse dieser Industrie wie auch der politischen und militärischen strategischen Absichten von EU und Nato, erscheint die von Griechenland benutzte Begründung - für die Zwistigkeiten mit dem türkischen Nachbarn gewappnet zu sein - wie ein perpedo mobile der Aufrüstungsspirale. Sie kann nicht aufhören sich zu drehen - da die Türkei genauso, und von den gleichen Lieferanten aufgerüstet wird.

Griechische Hochrüstung und wer daran verdient

Die immensen Rüstungsausgaben Griechenlands haben zum Quasi-Staatsbankrott beigetragen. Auffällig ist, dass Griechenland für das Militär gemessen am Bruttoinlandsprodukt seit Jahrzehnten mehr ausgibt als die anderen europäischen Staaten. Die Nato beziffert mit 1,7 Prozent die durchschnittlichen Militärausgaben der europäischen Nato-Staaten. In Griechenland waren es 3,1 Prozent (nach Nato-Angaben) bzw. 3,6 nach EU-Angaben, während z.B. Österreich 0,8% des Bruttoinlandsproduktes für das Militär aufwendet.

Im Jahr 2000 betrugen die griechischen Militärausgaben 5,921 Mrd. Euro (nach SIPRI), 2009 schon 8,620 Mrd. Euro. Ziemlich unbeeindruckt von der Euro- und Staatskrise hatte das Verteidigungsministerium Rüstungsbeschaffungsmaßnahmen für die Jahre 2011 bis 2015 in Höhe von 8,2 bis 8,5 Mrd. Euro geplant. Zwar musste 2010 der Verteidigungshaushalt von 6,5 Milliarden Euro auf 5,5 Milliarden Euro gesenkt werden, aber 1,8 Milliarden davon waren für die Beschaffung von Rüstungsgütern vorgesehen.

Im vergangenen Jahrzehnt hat Griechenland Rüstungsgüter im Wert von mehr als 11 Milliarden US-Dollar importiert. Damit lag Griechenland z.B. in den Jahren 2005 bis 2009 auf Platz 5 der Liste der größten Rüstungsimporteure der Welt. Davon profitierten insbesondere auch deutsche Konzerne. Zusammen mit den USA und mit einigem Abstand vor Frankreich ist Deutschland der Hauptlieferant. Griechenland bezieht 31 Prozent seiner Rüstungsgüter von deutschen Unternehmen und ist zweitgrößter Abnehmer deutscher Waffen aus Beständen der Bundeswehr.

In den vergangenen fünf Jahren kamen allein Waren im Wert von 4,6 Mrd. US-Dollar aus den USA und von 2,1 Mrd. US-Dollar aus Deutschland. Insbesondere Kampfflugzeuge, Schiffe sowie Kampfpanzer wurden an Griechenland verkauft.

Offizielle Angaben der Bundesregierung nennen im Schnitt der letzten zehn Jahren genehmigte Rüstungsexporte in Höhe von ca. 300 Millionen Euro pro Jahr. Darin ist allerdings die Lieferung von Technologie und Ausrüstungsgegenständen nicht enthalten. So machte etwa Thyssen Krupp Industrie die griechische Werft Hellenic Shipyards zum größten und modernsten Hersteller von U-Booten im östlichen Mittelmeer.

Allein ein im Jahr 2000 im Rahmen des Projekts „Archimedes“ abgeschlossenes Geschäft über sieben U-Boote für Griechenland hatte ein Volumen von 2,84 Milliarden Euro. Das beinhaltete den Kauf von vier neuen U-Booten des Typs 214 und die Modernisierung von drei alten U-Booten. Den Auftrag erhielt ThyssenKrupp. Außerdem hält man am geplanten Kauf von zwei weiteren neuen U-Booten fest. Kosten: etwa 1,3 Milliarden Euro. Griechische und deutsche Staatsanwaltschaften ermitteln, ob es dabei zu Korruptionszahlungen gekommen ist.

Bei Krauss-Maffei Wegmann (KMW) bestellte das griechische Heer unter anderem 180 Kampfpanzer vom Typ Leopard-2. Weiterhin wurden 183 Panzern in Deutschland (130) und in Griechenland (53) modernisiert. Die Gesamtkosten dieses Panzergeschäfts sollen sich inklusive aller Extras auf 1,7 Mrd. Euro belaufen. Die Kampfpanzer sowie Spezialpanzer wurden inzwischen alle ausgeliefert. Griechenland steht bei KMW noch mit rund 180 Millionen Euro in der Kreide.
Für die Unmenge an Panzern müssen ständig Ersatzteile und Munition nachgekauft werden, zum Beispiel 12.000 Stück Munition für den Leopard-Panzer von Rheinmetall.

Nach Streichung des europäischen Kampfflugzeug „Eurofighter“ orderte das griechische Verteidigungsministerium 2005 dreißig F 16-Kampfbomber bei der US-amerikanischen Firma Lockheed Martin. Die inzwischen ausgelieferten Flugzeuge hatten einen Preis von mehr als zwei Mrd. US-Dollar. Die ebenfalls bestellten zwölf Apache Longbow Kampfhubschrauber von Boeing wurden seit 2007 ausgeliefert.

Bereits im Jahr 2000 bestellte die griechische Luftwaffe bis zu 25 Mirage-Kampfflugzeuge (2000-5 Mk-2) als Teil eines 1,6 Mrd. Euro Vertrages, der ebenfalls die Modernisierung alter Mirage-Flugzeuge vorsah und bis 2007 abgeschlossen war.

Ziemlich ungerührt von den Aufständen auf Athens Straßen und den leeren Kassen wird im Athener Verteidigungsministerium der so genannte „Mittelfristige Fünfjahresplan für Rüstungsmodernisierungen der griechischen Streitkräfte“ (EMPAE) fortgeschrieben. Im Haushaltsjahr 2011wurden laut Verteidigungsminister Evangelos Venizelos angesichts der akuten Finanzkrise „nur“ 685 Millionen Euro ausgegeben. Aber ungerührt von Krise und Staatsbankrott plant das griechische Heer und die Marine den Ankauf von 400 bis 1.000 Schützenpanzern des russischen Modells BMP-3HEL. Geplante Gesamtkosten: mindestens 1,5 Mrd. Euro.
Vorgesehen ist weiter der Kauf von vier bis sechs französischen Fremm-Fregatten mit einem Finanzvolumen von insgesamt 2,5 Milliarden Euro. Die griechische Luftwaffe hat außerdem bis zu 40 neue, hochmoderne Kampfflugzeuge auf dem Wunschzettel, für die im „EMPAE 2011 bis 2015“ bis zu 2,3 Mrd. Euro im eingeplant sind.

Ohne Hochrüstung kein Staatsbankrott

Völlig ungleichgewichtig sind die schon vollzogenen und angekündigten Einsparungen an den Einkünften der unteren Klassen, im Verhältnis zu den Einsparungen an Staatsausgaben für das Militär. Weder die Schuldentilgung vergangener Rüstungsgeschäfte noch die weiteren Aufrüstungspläne werden durch das Abkommen zwischen Griechenland und der Troika, der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfond behindert. In den Übereinkommen und diktierten Sparplänen werden die Sparmaßnahmen im sozialen Bereich dezidiert aufgelistet als Voraussetzung für die Freigabe weiterer Hilfen. Entsprechende Vorgaben für das Militär fehlen gänzlich. Tatsächlich ist es so, dass ein Teil der EU-Kredite für die Schuldentilgung vorheriger Rüstungseinkäufe und den Ankauf von neuen Waffensystemen benutzt werden sollen.

Eine Kritik daran gibt es in den großen Medien selten. Wenn, dann wird gerne die Frage gestellt „Wie viel Geld hätte der griechische Staat sparen können, wenn er sich etwa wie Deutschland verhalten hätte?“. Die Antwortet ist schon eindrucksvoll: Im Durchschnitt der letzten Jahre wandte Deutschland etwa 1,4 Prozent seines Bruttosozialprodukts für Militärausgaben auf. Legt man diesen Maßstab zu Grunde, hätten die griechischen Staatsausgaben zwischen 2001 und 2009 um rund 36 Milliarden Euro niedriger ausfallen können. Berücksichtigt man zudem die daraus folgende niedrigere Staatsverschuldung, erhöht sich diese Summe um weitere vier Milliarden Euro für die Zinszahlungen auf die für die Finanzierung der Militärausgaben aufgenommenen Staatsschulden. 40 Milliarden Euro ist die Summe, die allein in diesem Jahrzehnt hätte eingespart werden können, hätte Griechenland lediglich denselben Anteil seiner Wirtschaftsleistung für Militär und Rüstung aufgewendet wie Deutschland. 40 Milliarden Euro entsprechen etwa zehn Prozent der gesamten griechischen Staatsschulden. Die Zinszahlungen für diese Summe belaufen sich bei den hohen Zinsen, die Griechenland zahlen muss, auf fast zwei Milliarden Euro pro Jahr.

Allein an diesen Zahlen wird erkennbar, wie verlogen die von Bundesregierung und interessierten Medien betriebene Schuldzuweisung der griechischen Misere ist. Die exorbitanten Rüstungsausgaben lagen ganz im Sinne der Nato-Strategie und im Interesse der Kassen der Rüstungswirtschaft.

Im Dezember war Außenminister Westerwelle in Griechenland. Nach griechischen Medien diente sein Besuch ausschließlich dem Zweck, der Athener Regierung die deutschen Prioritäten zu verdeutlichen. Er bestand darauf, dass die beim deutschen Staat und Unternehmen aus Deutschland aufgelaufenen Schulden zuerst zu bedienen sind - und das Griechenland an den vereinbarten Rüstungseinkäufen festhalten müsse. „Vertrag ist Vertrag“ lautet das Motto. Die EU/Troika will außerdem ein Sonderkonto für griechische Staatseinnahmen durchsetzen, auf das zuerst die Gläubiger Zugriff haben sollen - und u.a.deutsche Waffenlieferanten, die Griechenland die vergangenen Jahre aufrüsteten. Der Bankrott Griechenlands wird in Kauf genommen, damit u.a. die deutsche Industrie und die Banken nicht weiter ins Trudeln geraten.

Griechische Widersprüche

Dabei gibt es in Griechenland selber gar kein ernsthaftes Bestreben, die horrenden Militärausgaben zu senken, die Armee zu verkleinern (an Abschaffung denkt ohnehin niemand) und abzurüsten - und alle geplanten Einkäufe neuer Waffensysteme zu streichen. Nicht von der griechischen Regierung, aber wen wundert’s bei den bürgerlichen und sozialdemokratischen Parteien? Auffällig ist jedoch, dass auch kaum Stimmen aus der linken Opposition und aus der Bewegung laut werden, die dies thematisieren. In dieser Frage scheint weitestgehender nationaler Konsens zu herrschen.

Dabei steht das griechische Militär nun keineswegs für etwas, womit sich die unteren Klassen identifizieren könnten. Die griechische Armee stand immer auf Seiten der herrschenden Klassen: am Ende des 2. Weltkrieges während und nach dem Bürgerkrieg und während der Militärjunta 1967 – 1974. Trotzdem kratzt auch die radikale Linke, egal ob Anarchist/innen, Sozialist/innen oder Kommunist/innen, nicht an diesem „Pfeiler nationaler Souveränität“. Das Militär und der so genannte „Verteidigungshaushalt“ stehen weitgehend außerhalb jeglicher Kritik. (Wie übrigens auch die Staatskirche, obwohl als größter Grossgrundbesitzer, mit finanziellen, steuerrechtlichen und juristischen Sonderrechten versehen, wie man sie sonst vielleicht in Gottesstaaten a'la Vatikan und Iran findet)

Dafür Gründe anzuführen, ist natürlich spekulativ. Vielleicht macht man sich damit auch nicht beliebt, vielleicht wirkt aber auch die unausgesprochene Erpressung, jederzeit wieder putschen zu können, oder auch die darin liegende Drohung mit weiteren zigtausenden Arbeitslosen, falls die Armee abgespeckt werden würde.

Antimilitaristische Intervention

In Deutschland nützt es allerdings wenig, z.B. im Rahmen von Protesten gegen das Krisendiktat von Troika und Bundesregierung allein die Verschwendung von Volksvermögen durch den griechischen Militärapparat zu skandalisieren. In der dann doch ziemlich schnell verkürzten Sicht, wären es „die Griechen“ bloss mal wieder selber.

Es müsste zumindest gelingen, die durchaus relevanten Profitinteressen der deutschen Rüstungswirtschaft als einer der Hauptnutznießer in den Mittelpunkt zu rücken. Ebenso die militärstrategischen Interessen der Nato an einer hochgerüsteten Türkei und Griechenlands als stationäre Flugzeugträger gegen mögliche Entwicklungen im Mittleren Osten und dem südlichen Rand Russlands. Ein weiterer Punkt ist das grundlegende gemeinsame Interesse an Stabilität und Sicherheit im Süden Europas. Das Militär garantiert die Aufrechterhaltung der „Inneren Sicherheit“ in einer Situation, wo möglicherweise die Polizei mit den aufständischen Auseinandersetzungen in Griechenland nicht mehr fertig werden würde. Und nicht zuletzt müsste auch die Bundesregierung selbst in den Focus gerückt werden, die einerseits zum Erhalt der dominanten Rolle Deutschlands in der EU andere Gesellschaften ruiniert, und dabei sich gleichzeitig wie ein billiger Lobbyist der Banken- und Rüstungswirtschaft aufführt.

Ein auch so hergestellter praktischer Zusammenhang von Krise und Krieg, von Militarisierung der Politik nach innen wie außen, verknüpft Krisenproteste und antimilitaristische Intervention. Das ist natürlich auch von anderen Punkten aus zu machen. Zu nennen wäre da der Link zum Platzen der die so genannte Finanzkrise 2008 auslösenden „Immobilienblase“ und den auf Pump finanzierten Kriegen im Irak und in Afghanistan. Die Kampagne „ war starts here“ sollte natürlich nicht nur die nächste Bundeswehrkaserne markieren, sondern auch die Schnittstellen zwischen Finanz- und Rüstungswirtschaft.


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