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Samstag, 05.10.2024

KommunistInnenverfolgung nach dem 2. Weltkrieg

Zeichnung von Zdenek Alla. Buchenwald 1944
Ich mache jetzt einen kurzen Abriß zu politischen Gefangenen in den 50er und 60er Jahren.
Ich gehe davon aus, daß alle anwesenden über die Repression in dieser Zeit schon mal irgendwas gelesen, gehört oder erzählt bekommen haben. Ich auch. Trotzdem beeindruckt es mich doch jedes Mal aufs neue, mit welcher Geschwindigkeit die Opfer des Faschismus ebenso wieder Opfer der neu gegründeten BRD wurden.(Bsp.Seite57Gössner)
Wo sonst, wenn nicht an der politischen Justiz kann die Kontinuität aus dem Faschismus sehr scharf dargestellt werden. Fast alle Richter und Staatsanwälte wurden übernommen. Bereits 1948 waren etwa 8o-90% der Landgerichtspräsidenten frühere Mitglieder der NSDAP, darunter manche hochbelastete NS_ Täter, die an Todesurteilen beteiligt waren. Mindestens 8o der VGH-Richter und Staatsanwälte sind nach 1949 wieder im bundesdeutschen Justizdienst beschäftigt worden und richteten erneut über die gleichen Opfer, vor allem Kommunisten und Kommunistinnen.
Wurden zwar 1945 die Sondergerichte durch die Allierten aufgelöst und eine Wiedereinführung verboten, fand diese ebenso schnell wieder statt. Nur der Name selbst darf nicht benutzt werden.
In den 50er und 60er Jahren war der BGH in größeren politischen Strafprozessen zugleich die erste und die letzte Instanz. Eine Regelung, die dem NS-Verfahrensrecht gleich kommt.
Das wurde zwar Ende der 60er Jahre verändert,jedoch blieb die Einrichtung spezieller Strafkammern bei den OLGs zuständig für politische Verfahren.
In seiner Entsprechung ist der Aufbau des Polizeiapparats und der drei Geheimdienste zu sehen. Anfang der 50er Jahre wurde ein auf potentielle Bürgerkriegssituationen bezogener Gewaltapparat geschaffen, der dem staatsautoritären Polizeikonzept alter deutscher Tradition folgte. Dazu gehören die kasernierten Truppenpolizeien wie BGS oder Bereitschaftspolizei, unterstellt dem Bundesinenministerium.
und ebenso wie die Richter bekamen ehemalige Gestapo und SS- Angehörige wieder hohe Posten im Polizeibereich.
Auch MAD, BND oder VS bildeten keine Ausnahme. Im Gegenteil, Personell wie in der Zielsetzung setzten sie die Beobachtung und Bekämpfung von Kommunisten/innen und linken Oppositionellen fort.

Stellt sich nun die Frage, wieso sich diese Strukturen so schnell wieder etablieren konnten?
Dazu ist vielleicht wichtig zu verstehen, daß die Zeitspanne in der eine offene Situation existierte, was nach 45 mit diesem Land weitergeschehen wird, sehr kurz war. Die Weichenstellung lief in den Jahren 45 bis 49, Gründung der BRD. Oder anders gesagt, der Übergang vom heißen zum kalten Krieg war relativ fließend.
Die nach dem Krieg in fast allen größeren Orten entstandenen Volkskomitees, in denen Kommunisten, SPD -Mitglieder und Christen wichtige Funktionen übernahmen, wurden von den Westallierten ersatzlos aufgelöst. Kommunistische Minister wurden aus den Landesregierungen entlassen. Nachdem Streiks für Enteignungen, Verstaatlichung immer stärker und auch militanter wurden, Forderungen nach Volkskontrolle über die Nahrungsmittelverteilung erhoben wurden...verboten die britischen, amerikanischen und französischen Miltärbehörden alle weiteren Proteststreiks und Demonstrationen. Vom US- Gouverneur wurde sogar mit Todesstrafe gedroht. Danach nahmen die Massenkämpfe immer mehr ab und die KPD zog sich stärker zurück.

Sie fing an sich stärker auf den Aufbau des Sozialismus in dem sowjetisch besetzten teil Deutschlands zu konzentrieren, und band sich enger an die SED an. Die Zunahme ihrer Mitgliederzahl nach Kriegsende nahm wieder ab. Gründe dafür sind neben der Repression auch in ihrer Politik zu finden. Anfangs war sie etlichen zuwenig anti_kapitalistisch und zu sehr auf Bündnisse mit dem Bürgertum orientiert. ihre später immer stärker KPDSU-linientreu Politik war auch nicht gerade massenmobilisierend.

Gleichzeitig wurde v.a. von den USA die Spaltung Deutschlands forciert. Die Westzonen vereinigten sich, und bildeten schon 1949 vor Gründung der BRD die NATO. Die Aufteilung der Einflußsphären unter den Siegermächten verdichtete sich nun brennpunktartig in Deutschland zu einer Aufteilung der Welt in zwei antagonistische Blöcke.
Deutschland wurde zum stärksten anti-kommunistischen Bollwerk der westlichen Welt aufgebaut, der Anti-Kommunismus zur Staatsdoktrin erhoben.
Innerhalb dieses weltgeschichtlichen Geschehens , das die nächsten 5o Jahre bestimmte, wurde die KPD durch politische Verfolgung aus dem Einflußbereich und jeglicher Mitbestimmung herausmanövriert.

Die "wehrhafte" Demokratie wurde konstituiert. Sie bediente sich auch der Totalitarismustheorie: der Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Kommunismus. Auch das trug zur Feindbildschaffung bei. Dabei darf die Autoritätshörigkeit und Unterwürfigekit dieses Volkes nicht vergessen werden. Die neuen Machthaber, vorneweg die USA , und ihre Interessen wurden von den meisten genausowenig in Frage gestellt wie der Faschismus bekämpft wurde.
Ein notwendiger Emanzipationsprozess fand nicht statt, hätte sich erst seinen Platz erobern müssen. Aber wer wollte ihn auch schon; Verdrängung und Vergessen war angesagt, von oben wie von unten. Die Jasager blieben Jasager, so wie die alten Täter auch die neuen waren.
Dies, als kurzer Ausschnitt des Klimas in dem die politische Verfolgung ohne großen Protest ihren Verlauf nahm.

Es gab in der Zeit von 1951 bis 1968 gegen 150000 bis 200000 Personen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen linksoppositioneller Arbeit oder politischer Kontaktschuld.Polizeiliche und geheimdienstliche Ermittlungen sind da nicht mitgerechnet.
Sie betraf Gegner/innen der Remilitarisierung, Menschen, die sich in irgendeiner Weise für die Wiedervereingung oder ein entmilitarisiertes und neutrales Gesamtdeutschland einsetzten.
Sie betraf das Empfangen von DDR-Material, die Teilnahme an Sportwettkämpfen oder das Organisieren von Kinderfreizeiten in der DDR. Auch das Tragen oder Verteilen von roten Nelken am 1.Mai fiel unter Strafe.
Etwa nur jedes 2o. Ermittlungsverfahren führte zu einer Verurteilung, also ca 7000 bis 1o000 Fälle. auch daran wird das Präventionsstrafrecht deutlich.
Gegen weniger als ein Drittel der Verurteilten wurden Gefängnisstrafen über neun Monate verhängt, ein weiteres Drittel bekam Bewährungsstrafen. Die höchste Strafe waren fünf Jahre Zuchthaus gegen den ehemaligen FDJ- Vorsitzenden Jupp Angenfort(Seite 83, Gössner) u.a. wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens.
Auch wenn die Strafen selbst größtenteils nicht sehr hoch waren bezüglich der Gefängnisdauer, waren sie es aber im Verhältnis zu dem was verurteilt wurde. Außerdem waren die allgemeinen Haftbedingungen und die ärztliche Versorgung oft so schlecht, daß sie Gesundheitsschädigungen zur Folge hatten. Mehrere Gefangene starben in Haft, manche von ihnen waren durch die Verfolgung und Folter im NS geschwächt und krank, so daß sie eine erneute Inhaftierung nicht überlebten.
Eine organisierte Unterstützung gab es nicht.

Was war die Handhabe für die vielen Verurteilungen und anderen repressiven Maßnahmen ?
Ein erstes Grundsatzurteil ist das sogenannte Fünf-Broschüren-Urteil, das am 8.4. 1952 gefällt wurde. Diese fünf beschlagnahmten kommunistischen Broschüren würden auf eine " Beseitigung der freiheitlich- demokratischen Grundordnung zielen". Im Urteil wird ausgeführt, daß die SED und jede/r, die oder der mit ihr zusammenarbeitet " ein bestimmtes hochverräterisches Unternehmen vorbereitet". Nahziel sei " die Errichtung der Diktatur des Proletariats, Fernziel die Herbeiführung der klassenlosen Gesellschaft."
Dieses Urteil diente nun als Grundlage für eine Vielzahl von Verfahren und prägte die weiteren Prozesse. Das Hauptgewicht dieser Strafverfahren lag neben Hoch und Landesverrat in dem Vorwurf der Tätigkeit in einer " verfassungsverräterischen Vereinigung", einer verbotenen, oder einer kriminellen. Mit dem Vorwurf der " staatsgefährdenden Absicht, der praktisch alle Kommunisten traf, entwickelte sich die Rechtsprechung in politischen Verfahren zum Gesinnungsstrafrecht.

Verbote von politischen Organisationen:
in den Jahren 1951 bis 1958 wurden insgesamt achtzig sogenannte kommunistische Massen- und Bündnisorganisationen verboten. (Seite 81, Gössner)Die FDJ wurde bereits 1951 durch Beschluß der Bundesregierung verboten. Seitdem galt die FDJ als "verfassungsfeindliche und kriminelle Vereinigung". (Seite 86) Darauf bezogen sich zahlreiche Anklagen und Urteile der Folgezeit.
Die KPD wird im Jahr der von ihnen bekämpften Wiederbewaffnung vom Bundesverfassungsgericht verboten. (Seite 1o4)
Die Adenauer -Regierung hatte bereits mit Antrag vom November 51 das Verbot der KPD beantragt und das Verfahren eingeleitet. Das Verbot besteht bis heute fort.
Die einzige Organisation bei der das Verbot nicht durchkam war der VVN ( Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes). Nicht nur der Verbotsantrag selbst sondern auch die Tatsache, daß ausgerechnet ein ehemaliges Mitglied von SA und NSDAP als Richter dafür zuständig war, und diese Tatsache öffentlich bekannt wurde, führte international zu großen Protesten.

Verboten wurden vom Bundesinnenministerium auch die Volksbefragungsausschüsse, die sich in der Opposition gegen die Wiederaufrüstung gebildet hatten. (Seite (84, Gössner)
Während einer Friedensdemonstration gegen die Wiederbewaffnung wurde Philipp Müller in Essen von der Polizei erschossen. Mitglieder der Volksbefragungsausschüsse wurden wegen Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen und kriminellen Vereinigung verurteilt.

Direkt oder indirekt waren insgesamt mehr als eine halbe Million Menschen von der politischen Verfolgung in diesen 17 Jahren betroffen. Nicht nur durch Gefängnisstrafen , sondern auch durch langfristige Observationen, jahrelange Einschränkung der staatbürgerlichen Rechte, Paß und Führerscheinentzug, Berufsverbote, Verlust des Arbeitsplatzes und durch Renteneinbußen.
Anstelle von Wiedergutmachung an den Opfern des Nazifaschismus folgte erneute Bestrafung. Diese exzessive Kommunistenverfolgung fand 1968 ein vorläufiges Ende mit der Liberalisierung des politischen Strafrechts um ab 72 mit anderen Mitteln fortgesetzt zu werden, z.b. Radikalenerlaß...
Heinrich Hannover ist einer der ganz wenigen Strafverteidiger, der in vier Phasen bundesdeutscher politischer Justiz Angeklagte verteidigt hat: während der Kommunistenverfolgungen in den 50er und 60er Jahren, während der Studentenbewegung, in den Verfahren gegen die RAF und in den neuen Verfahren gegen Funktionäre der ehemaligen DDR.
Er sagte zu den 50er und 60er Jahren, daß er den Mangel an Solidarität besonders beklemmend empfunden hat, und macht eine " schlafende bürgerliche Öffentlichkeit " mitverantwortlich" dafür, daß schon wieder "unrecht im Namen des Volkes als Recht ausgegeben wurde".


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